Am 22.07.2009 habe
ich die längste totale Sonnenfinsternis dieses Jahrhunderts in Wuhan in China an einem
landschaftlich sehr reizvollen Beobachtungsort des ausgedehnten
Seengebiet des East
Lake
Parks beobachten können. Das Wetter war zwar alles andere
als optimal für Finsternisjäger, aber in Anbetracht der horrenden
Wettervorhersagen waren wir doch angenehm überrascht. Eine relativ
lockere Alto- und Cirrocumulusbewölkung gewährte fast
kontinuierlich den Blick auf die Sonne und die Korona, der nur
relativ kurzzeitig völlig unterbrochen wurde. Vor allem der zweite
und dritte Kontakt war eindrucksvoll zu beobachten und der
Horizont leuchtete um die Totalität in intensiven
Dämmerungsfarben. Mit einer Totalitätsdauer von 5 Minuten und 21
Sekunden haben wir nur wenige Sekunden gegenüber einem Ort an der
Zentrallinie verloren, wenngleich wir die längste Dauer dieser
Finsternis von über 6 Minuten, die weit im Pazifik erreichbar
gewesen wären, um mehr als eine Minute verfehlt hatten. Aber man
kann ja nicht alles haben und eine Sarosperiode später wird diese
Finsternis bei sicher besseren Wetteraussichten in Ägypten
deutlich länger als dieses Mal in China zu sehen sein:-)
Die GPS-Koordinaten unseres
Beobachtungsplatzes waren:
30°34.220' N, 114° 22.227' E (30.5703285 N, 114.3704484 E,
Mittelwert aus 21 Messungen über 2 Stunden und 41 Minuten).
Hier ist ein Bild des Platzes in Google-Earth.
Der fast kreisrunde Kernschatten ist in Wuhan mit 243 km
Durchmesser und mit einer Geschwindigkeit von über 3500 km/h
ziemlich genau in Ost-Westrichtung (Azimut 88°) über
uns hinweggezogen.
Die Zeitangabe hier sind überwiegend in Weltzeit (UTC) angegeben.
Die lokale chinesische Zeit (CST) war 8 Stunden weiter (CST = UTC
+ 8h)
Mit Hilfe der
Software Eclipse Orchestrator konnte ich die Phänomene am zweiten
und dritten Kontakt gut und automatisch registrieren, ohne mich um
die Kameras kümmern zu müssen. Diese langbrennweitigen Aufnahmen
wurden mit einer Canon 450D an einer "Russentonne"
MC 3M-5CA mit 500 mm Brennweite und f/8 durchgeführt.
Beim zweiten und dritten Kontakt war die Chromosphäre und das
Diamantringphänomen sehr schön zu sehen. Links im Bild die
rotleuchtende Chromosphäre und eine kleine Protuberanz links oben
Eine Einzelaufnahme der
Korona. Da die Einzelbilder stets durch die wechselnde Bewölkung
beeinträchtigt wurden, habe ich versucht, Serien
längerbelichteter Aufnahmen mit Registax zu
mitteln und die Koronastrukturen mittels radialer Unschärfemasken
zu betonen. Auf diese Weise verwischen sich die Wolken und es
werden viele Koronastrukturen, die im Feldstecher schön
sichtbar waren, auch im Foto erkennbar.
Unten zwei Aufnahmen in dieser Composittechnik, eine aus der
ersten Hälfte der Totalität, die rechte aus Einzelbildern zum
Schluss der Totalität, für die leider nicht so viele Bilder zur
Verfügung standen. Hier erscheint um unteren rechten Rand bereits
wieder eine kleine Protuberanz hinter dem Mondrand.
Eindrucksvoll war das Perlschnurphänomen beim dritten Kontakt zu
sehen. Die Beobachtung des Diamantringes und der
Perlschnurphänomens wurde durch die Wolken glücklicherweise nicht
beeinträchtigt.
Oben eine Sequenz beim zweiten Kontakt. Die erste Aufnahme um
1:23:31 UTC wurde noch mit Filter aufgenommen.
Unten beim dritten Kontakt. Orientierung: Norden Oben. Das letzte
Bild ist wieder mit Filter aufgenommen.
Atmosphärische Erscheinungen:
Es
war
leider nicht völlig klar, aber die leichte Cirro- und
Altocumulus-Bewölkung hatte den Mondschatten und die
Horizontfarben sehr eindrucksvoll sichtbar gemacht. Mit einer
Kompaktkamera (Fuji F40fd), die von einem Servo aus dem
Flugmodellbau und dem C-Control
automatisch ausgelöst wurde, konnte ich eine schöne Sequenz der
Bewegung des Mondschattens registrieren. Ein Klick in die Grafik links
öffnet eine kleine GIF-Animation, die die Bewegung des
Mondschattens zum Horizont zeigt.
Um
die Totalität habe ich eine Sequenz von 30 Fisheye-Aufnahmen mit
dem Peleng 3,5 / 8 mm Vollformat-Fischaugenobjektiv auf Fujicolor
Sensia 200 ASA Farbnegativfilm gemacht. Sie zeigen sehr
eindrucksvoll den Mondschatten in der hohen Bewölkung.
Aus den eingescannten Bildern habe ich ein kleine Animation
erstellt, die beim Klick hier oder auf das Bild links angezeigt wird.
Die Animation ist zeitlich um den zweiten und dritten Kontakt
gestreckt, um die Bewegung des Mondschattens etwas besser
darzustellen.
Orientierung der Bilder: Norden oben, Osten links.
Fliegende
Schatten habe ich wegen des Dunstes und der leichten
Bewölkung nicht gesehen. Zur Beobachtung und zum Filmen dieses
Phänomens hatte ich ein weißes Bettlaken auf dem Boden
ausgebreitet und mit einer Videokamera (Sony PC 100) in Richtung
Norden (5° Azimut) gefilmt. Leider waren auch trotz sorgfältiger
Analyse auf dem Videoband keine fliegenden Schatten zu erkennen.
Auch das Signal eines parallel auf einer Tonspur des Videos
mitlaufenden Licht-zu-Frequenz-Konverters
(TSL 230), der in Richtung Sonne zeigte, ergab keine
Hinweise auf Fliegende Schatten.
Als Ursache dafür ist wohl in erster Linie die Bewölkung zu sehen,
die den Kontrast der ohnehin schwachen Fliegenden Schatten unter
die Wahrnehmungsgrenze gedrückt hat.
Wettermessungen:
Während der Finsternis habe
ich Temperatur-, Helligkeits- und Windmessungen durchgeführt. Die
Messwerte wurden mit einem C-Control-Pro
Mikrocontroller erfasst und auf einem EEPROM gespeichert, so
dass sie später mit einem PC ausgelesen und aufbereitet werden
konnten.
Es wurden die Temperatur der Luft in 1 m Höhe mit zwei Sensoren,
die Lufttemperatur in 0,1 m Höhe und die Bodentemperatur gemessen
und aufgezeichnet. Als Thermosensoren dienten DS1621 Chips.
Außerdem hat ein TSL-230 Sensor die Beleuchtungsstärke registriert
und ein Schalenanemometer die Windgeschwindigkeit gemessen.
Auf dem Stativ befindet sich außerdem das
Himmelshelligkeits-Messgerät (vorne rechts), links die
Fischaugenkamera und die Videokamera für die fliegenden Schatten.
Die Lufttemperatur ist von etwa 35° C vor der SoFi auf
etwa 31.5° C gefallen, wobei das Minimum erste einige Minuten
nach der Finsternis durchschritten worden ist. Ein
Finsterniswind während der Totalität konnte nicht gemessen
werden, analog zu meinen Registrierungen bei anderen
Sonnenfinsternissen.
Die Beleuchtungsstärke am ging während der Totalität auf einen
Minimalwert von ca. 4 Lux zurück, was etwa dem Ende der
bürgerlichen Dämmerung bei einem Sonnenstand von 6 Grad unter
dem Horizont entspricht. So dunkel wird es in Mitteleuropa etwa
35-40 Minuten nach Sonnenuntergang bei klarem Himmel. Helligkeit
war deutlich höher, als in Metz 1999 oder in Simbabwe 2001, wo
ich jeweils 2.8 Lux gemessen habe. Grund war wahrscheinlich die
hohe, aber dünne Bewölkung, die das Licht aus der Umgebung
wirksam in die Zentralzone gestreut hat, ohne zu viel Licht zu
schlucken, wie es offenbar 1999 der Fall gewesen ist.
Auffällig war auch, dass die Grillen in den umliegenden Bäumen
und Büschen vor Beginn der Totalität um 01:23:50 ein lautstarkes
Zirpkonzert anfingen, das nach Ende der Totalität um 01:30:00
schnell verstummte. Auf der X-Achse links ist in Rot die
Lautstärkekurve einer Audioaufnahme dargestellt. Die deutlich
erhöhte Grundlautstärke während der Totalität ist im
wesentlichen der Beitrag dieser Grillen.
Himmelshelligkeit um die Totalität
Die Himmelshelligkeit habe ich mit einem Nachbau des SQM, basierend
auf der C-Control registriert. Die
Werte sind in Magnituden pro Quadratbogensekunde angegeben. Der
Sensor, ein TSL237-Chip mit einem Grün-IR-Sperrfilter (Spektralkurve ähnlich
dem Hoya CM-500 im Original-SQM) in einem Tubus mit 30 Grad
Öffnungswinkel, wurde von zwei Servos aus dem Modellbau auf den
Zenit oder auf die vier Haupthimmelsrichtungen mit einer Elevation
von 15° und 40° über dem Horizont positioniert. Da der Nord- und
Westhorizont von Bäumen verdeckt war, habe ich diese Messwerte
verworfen. Der Ost-40° Punkt liegt etwa in Richtung der Sonne, er
ist deshalb i. d. R. am hellsten. Da der Himmel mit Cirruswolken
durchsetzt war, sind die Messungen aber leider nur eingeschränkt
aussagekräftig. Gemessen habe ich einen Wert von etwa 13.5 bis 14
mag/arcsec2, wenn man den Wert in Richtung Sonne und im
Norden (Bäume!) nicht beachtet. Wenn man die Helligkeit bewölkter
und klarer Himmelsregionen zur Finsternismitte vergleicht, kann
man interpolieren, dass die lokale Helligkeit ohne die
Wolken um etwa 0.1 bis 0.2 mag schwächer gewesen sein könnte. Der
resultierende Messwert von ca 14 mag / arcsec2
entspricht ebenfalls der Zenithelligkeit bei einem Sonnenstand von
ca. 6 Grad unter dem Horizont.
Die Asymmetrie der Helligkeitsentwicklung durch den heran- und
wegziehenden Mondschatten wird trotz (oder wegen?) der
Wolken recht gut wiedergegeben. Download der SQM-Messwerttabelle
(CSV-Datei).
Die Messgeräte:
links die Wetterstation mit Schalenanemometer, Helligkeitssensor
unter der Lichtstreukuppel und ein abgeschattetes Thermometer.
Nicht abgebildet das 10-cm Luft- und das Bodenthermometer.
Rechts das Himmelshelligkeits-Messgerät. In den Stecker integriert
ist noch ein Thermosensor (DS 1621). Der Helligkeitssensor kann
durch zwei Servos frei über den gesamten Himmel positioniert
werden.
Diese
Finsternis gehört zum Saroszyklus 136,
der z. Z. totale Sonnenfinsternisse mit Rekordlängen produziert.
Sie treten im Sommer auf, wenn die Sonne sich in Erdferne befindet
und gleichzeitig der Mond in Erdnähe. Details hierzu in meiner
speziellen Seite zum Saroszyklus 136.
Diese Graphik wurde mit meinem Programm "Sarosportrait"
berechnet.
Der Vollständigkeit halber
hier ein Bild der begleitenden
Mondfinsternis vom 06.08.2009 zur Sonnenfinsternis:
Links eine Aufnahme des
Vollmondes vor der Mondfinsternis (5.8., 23:29 MESZ, leider sind
ein paar dunkle Wolken durchgezogen), rechts die
Halbschattenfinsternis um 2:36 Uhr. Da der Mond nur zu 43% seines
Durchmessers in den Halbschatten eintauchte, war diese Finsternis
sehr unscheinbar. Im direkten Vergleich mit der Aufnahme vor der
Finsternis erkennt man eine leichte Verdunkelung des linken
unteren Mondpartie. Die der Sonnenfinsternis vorhergehende
Halbschattenfinsternis war mit 15% noch unscheinbarer,
außerdem war sie von Europa aus nicht zu sehen.
Die nächste in Europa günstig zu beobachtende Mondfinsternis wird
am Silvesterabend 2009 zwischen 19:52 und 20:52 MEZ stattfinden.
Sie ist partiell und ist die Vorgängerfinsternis der sehr langen
ringförmigen Sonnenfinsternis vom 15.01.2010.