Aktive Optik am Schmidt-Cassegrain

von Dr. Wolfgang Strickling


Ein Schmidt-Cassegrain-Teleskop ist wegen seines guten Preis-Leistungs-Verhältnisses und der kompakten Bauform ein unter Astroamateuren gerne benutztes Instrument. Im Widerspruch zu anders lautenden Testberichten perfekter Optiken, die in diversen astronomischen Zeitschriften von Zeit zu Zeit publiziert werden, habe ich jedoch selten ein auch nur annähernd beugungsbegrenztes Gerät dieser Bauart gesehen. Speziell Optiken mit großer Öffnung zeigen in der Regel selbst bei optimaler Justierung mehr oder weniger starke Abbildungsfehler, die Beobachtungen mit höheren Vergrößerungen selten zum Genuss werden lassen. Bezüglich Bildschärfe und Kontrast stehen diese Geräte deutlich kleineren und billigeren Fernrohren leider oft nach.

Da mein Gerät auch nach Einsendung zum Generalvertreter keine perfekte Abbildung lieferte, entschloss ich mich, die Optik per Hand zu korrigieren. Die Idee lag nahe, die Schmidtplatte meines sphärisch überkorrigierten Teleskops zu retuschieren, weil in Schmidt-Cassegrain-Teleskopen die Schmidtplatte dazu gedacht ist, die an einem mit Kugelspiegeln ausgerüsteten Cassegrain natürlicherweise vorhandene sphärische Aberration zu beseitigen. Überlegungen zu Aufwand und Kosten (Materialien, erforderliche Neuvergütung der Schmidtplatte) und der unsichere Erfolg eines derartigen Eingriffs ließen mich diesen Gedanken jedoch wieder verwerfen, genau so wie den Versuch, den Sekundärspiegel zu retuschieren, so wie es die Optikhersteller es vor der Endmontage ihrer Geräte machen. Statt dessen wollte ich zuerst probieren, die Optik nach Art der "aktiven Optik" von modernen Großteleskopen gezielt zu verformen und zu verspannen. Solche Maßnahmen sind reversibel, und bei ausbleibendem Erfolg kann man den Originalzustand problemlos wieder herstellen.

Voraussetzung zur Erkennung und letztlich zur Behebung der Restfehler sind eine absolut genaue Justierung der Optik. Justierung und Test sind am besten am Stern durchzuführen. Eine hervorragende Anleitung, sich diesen Sterntest anzueignen und optische Fehler zu erkennen, ist H. R. Suiters Buch Star testing astronomical telescopes.

Die präzise Justierung eines Schmidt-Cassegrains wird folgendermaßen durchgeführt (Details  und Links in meiner Spezialseite):

Ein nicht zu heller Stern wird bei sehr hoher Vergrößerung (Okular ca. 10 mm) in Bildmitte positioniert und ein wenig unscharf eingestellt, so dass die zentrale Fangspiegelabschattung so eben gut sichtbar wird. Liegt die Abschattung exzentrisch wie in der Abbildung links, dann muss das Teleskop mit Hilfe der kleinen Innensechskantschrauben am Fangspiegel so  lange verstellt werden, bis die Abschattung konzentrisch liegt. Man muss die Schrauben so drehen, dass sich der Stern entgegengesetzt dem exzentrisch versetzten Fangspiegel bewegt (also zur "dickeren" Seite des Ringes hin, in der linken Abbildung beispielsweise nach unten). Da der Stern bei der Justierung aus der Bildmitte herauswandert, muss man zur genauen Prüfung des Ergebnisses den Stern mit der Feinbewegung der Montierung wieder genau in die Mitte fahren und die Justage dann ggf. noch einmal iterativ verbessern.

Die beiden optischen Hauptfehler, die nach erfolgreicher Justierung meist noch verbleiben sind meist Astigmatismus und / oder sphärische Aberration. Erstere äußert sich in strichförmigen Sternabbildungen, deren Orientierung sich bei der Fokussierung um 90 Grad ändert.

Bei leicht unscharfer Fokussierung betrachtet verzerrt Astigmatismus den Sternring zu einer Ellipse, während sphärische Aberration das intra- und extrafokale Bild deutlich unterschiedlich aussehen lässt und letztlich zu unscharf verschmierten Sternabbildungen führt. Eine perfekte Optik zeigt den defokussierten Stern als kreisrunden Ring, der intra- wie extrafokal identisch aussieht. Die linke Abbildung zeigt beide Fehler im gleichen Gerät vereint :-((
Das verwendete Teleskop ist sphärisch überkorrigiert, d. h., seine Brennweite ist am Rand ein wenig zu lang und in der Mitte an der optischen Achse zu kurz. Deshalb sehen die Bilder intrafokal (links) und extrafokal (rechts) deutlich unterschiedlich aus, mit unterschiedlich großem Fangspiegelschatten.

Übrigens ist der Ring, den man im unscharfen Sternbild in Spiegelteleskopen sieht, nicht zu verwechseln mit einem Beugungsring! Ersterer ist nur ein Abbild der Eintrittspupille, dagegen sind Beugungsringe optimal nur bei scharfem Bild, guter Optik und sehr ruhiger Luft zu sehen. Sie sind extrem klein. Der Abstand untereinander und vom Stern hat die Größe der Fernrohrauflösung, also beim 8-Zöller 0,6 Bogensekunden! Man sieht zwar auch in schlechten Optiken Beugungsringe, aber gleich dutzendweise. Eine perfekte Optik zeigt nur wenige (2 oder 3) und absolut scharfe kreisrunde Ringe.

Um die erforderliche Justierung schnell und bequem zu erledigen, empfiehlt es sich, die kleinem Imbusschrauben gegen passende Flügel- oder Rändelschrauben mit amerikanischem Gewinde auszuwechseln bzw. Rändel mit Zweikomponentenkleber aufzukleben (s. Abb. links). Mit etwas Übung ist die Justierung  damit in wenigen Sekunden erledigt, so dass man sie vor jeder Beobachtung, die eine perfekte Abbildung erfordert, bequem durchführen kann. Diese Abbildung ist noch vor dem Einbau der aktiven Optik entstanden. Mittlerweile wird die Fangspiegelbox von 21 Zugangsöffnungen für die aktiven Schrauben geziert ;-)


Bau und Justage der aktiven Optik

Die Erfahrung zeigt, dass viele Instrumente schon verspannt ausgeliefert werden und deshalb optische Fehler zeigen. Besonders die "Russentonne" (Teleobjektiv 1000 mm f/10) ist dafür bekannt. So kam mir die Idee, die Optik gezielt zu verspannen und dadurch die Fehler zu korrigieren. Die erforderlichen Verformungen der Spiegel liegen im Bereich unter einem Mikrometer und sollten sich einfach bewerkstelligen lassen. Eine Demontage des Teleskops zeigt, dass der Hauptspiegel an den Rändern zwar recht dünn ausläuft, aber im Zentrum ein sehr dicker Glasklotz ist (s. Abb. rechts), der dort kaum zu verformen wäre. Er scheidet also aus. Der Fangspiegel jedoch ist eine nur ca. 14 mm starke Glasplatte von 78 mm Durchmesser, die über einer 2 mm dicken Korkschicht auf eine 8 mm Aluminiumplatte geklebt ist (s. Abb. links). Die Aluplatte trägt in der Mitte eine Vertiefung, in der sie auf einem Dorn in der runden Fangspiegelbox ruht. Sie hat drei Gewindebohrungen zur Aufnahme der Justierschrauben.

Wie oben zu sehen ist, krankt mein Instrument nicht nur an sphärischer Überkorrektur, sondern auch an Astigmatismus. Während Astigmatismus theoretisch durch eine einfache Verbiegung der Spiegelfläche über eine mittige Kante zu korrigieren wäre, müsste die sphärische Aberration durch ein Aufwölben oder Einziehen des Randes und/oder des Zentrums reduziert werden. Um die erforderlichen Freiheitsgrade zu bekommen, habe ich den Fangspiegel von der Korkplatte getrennt und sieben etwa dreieckige Lagerplatten an dessen Rückseite mit Epoxydkleber aufgeklebt. Ein erster Versuch mit Silikonkleber für Aquarien hatte nicht die erforderliche Zugfestigkeit, während Epoxyd (UHU Plus) nach Aufrauung der Oberfläche bislang fest bleibt. Die Lagerplatten haben eine zentrale Gewindebohrung M3 für eine Zugschraube und  je drei Auflageflächen für Druckschrauben. So kann jede Platte individuell verstellt und gekippt werden.

Der so modifizierte Fangspiegel wird auf die entsprechend vorbereitete Aluplatte montiert. Dabei halten je drei M3-Madenschrauben den Spiegel auf Abstand, während die M3-Flachkopfschrauben den Spiegel halten. Optimal wären Flachkopfschrauben mit dem selben Innensechskant wie die Madenschrauben. Die Schrauben sind über Bohrungen der Fangspiegelbox von außen zugänglich.

Um zu verhindern, dass Fangspiegel, Hauptspiegel und Schmidtplatte später zueinander verdreht montiert werden, sollte man ihre Lage zueinander markieren. Sonst kann es passieren, dass die werksseitige Fangspiegelretusche das Bild nachher verschlechtert statt verbessert!

Bei diesen Arbeitsgängen empfiehlt es sich, die empfindliche optische Oberfläche des Fangspiegels mit einem Polster aus Fließpapier und Pappe zu schützen und dieses erst vor der Endmontage wieder zu entfernen.

Zur Montage werden die Madenschrauben so eingestellt, dass sie die Lagerplatten des Fangspiegels auf etwa 1 mm Abstand zur Aluplatte halten (s. Abb. rechts). Alle Schrauben werden nur so fest angezogen, dass der Spiegel gerade nicht mehr locker sitzt. Dann kann er mit den drei Justierschrauben wieder in seine Box in der Schmidtplatte verschraubt werden und die gesamte Einheit im Tubus befestigt werden. Dabei ist, wie erwähnt, die ursprüngliche Orientierung einzuhalten und eine Verdrehung unbedingt zu vermeiden!

Am Stern wird zunächst das Teleskop wie gewohnt justiert. Wenn der Fangspiegel  nur locker eingebaut worden ist, sollten die vorherigen Optikfehler noch unverändert sein.

Jetzt  kann man sich an die Korrektur der Optikfehler machen.

Zur Korrektur des Astigmatismus habe ich das Teleskop intrafokal ein wenig unscharf gestellt (Fokusknopf von der Schärfeposition in Richtung "unendlich" drehen, Abb. links). In der Ebene der langen Ellipsenachse A-B des Sternscheibchens muss der Spiegelrand nach innen in Richtung Hauptspiegel gebogen werden. An den gegenüberliegenden Spiegelrändern (C-D) kann durch symmetrisches Lockern der Madenschrauben und Anziehen der Zugschrauben die erforderliche Durchbiegung mit nur geringem Druck der Schrauben problemlos erreicht werden. So wird die zu lange Brennweite in der Ebene A-B verkürzt, während senkrecht dazu (C-D) die Brennweite des Systems verlängert werden muss. Ziel ist eine kreisrunder Unschärfekreis. Im übrigen sollte im Verlauf der Aktivierung der Optik eine Verschlechterung der Spiegeljustierung ständig kontrolliert und ggf. korrigiert werden.

Für die Korrektur der sphärischen Aberration ist es sinnvoll, über eine Zonenmaske die Brennweiten des optischen Systems am Rand, im Zentrum und in der Mittelzone zu vermessen. Mein Gerät hatte seinen größten Fehler (zu kurze Brennweite) im Zentrum, während die Randzone einigermaßen in Ordnung war. Durch ordentlichen Druck der Madenschrauben der zentralen Platte konnte die Fangspiegelmitte etwas vorgewölbt werden und damit die Überkorrektur beseitigt und sogar ins Gegenteil verkehrt werden.

Ebenso sollte es möglich sein, "Dellen" oder "Hügel" der Oberfläche, wie ich sie bei einigen Geräten gesehen habe, zu beseitigen. Zumindest konnten solche Fehler durch einseitiges zu starkes Anziehen einzelner Schrauben erzeugt werden. Sicher lassen sich nicht alle Fehler auf diese Weise komplett beseitigen. Bei meinem Gerät  habe ich jedoch eine deutliche Verbesserung der Bildqualität erreichen können. Insgesamt ist die Aktivierung der Optik zwar eine etwas zeitraubende Angelegenheit, die durchaus einige Abende verschlingen kann. Wenn die Optik jedoch einmal perfektioniert worden ist, reicht die normale Justierung zum Erreichen einer optimalen Abbildung vollkommen aus.

Als unerlässlich erachte ich die Lektüre von H. Suiters Werk "Star testing astronomical telescopes", erschienen bei Willman-Bell. Es ist neben den bekannten online-Buchläden auch bei vielen Astrohändlern oder dem Astro-Shop erhältlich (ca. 30 Euro). Schließlich muss man sich recht genau in seine Optik "hineindenken" können und sollte gut vorausahnen können, welchen Effekt die Manipulation der Optik haben wird.

Im Prinzip kann man den Astigmatismus auch tagsüber am künstlichen Stern prüfen. Für die sphärische Aberration ist jedoch eine Lichtquelle im "unendlichen" erforderlich, denn auch ein perfektes System wird auf kurze Einstelldistanzen eine sphärische Überkorrektur zeigen! Ebenso sollte man bei der Justage einen Fokusabstand wie bei der "normalen" Beobachtung einhalten, da der Fokusabstand bei Teleskopen mit Hauptspiegelfokussierung die sphärische Korrektur geringfügig beeinflusst. Zubehör wie Zenitspiegel oder -prismen und Fokalreducer sollte man vor solchen Manipulationen entweder entfernen oder zumindest vorher testen, denn auch solche Zusatzgeräte können natürlich das optische System beeinflussen.


Ergebnisse

Erste Ergebnisse zeigen, dass der Kontrast von Aufnahmen sich deutlich verbessert hat. Ein Bildbeispiel zeigt Saturn, einmal vor (links) und  nach (rechts) Einbau der aktiven Optik.
während die Aufnahme links das beste Bild aus drei Jahren ist, wurde die rechte Aufnahme schon beim zweiten Versuch mit der Optik gewonnen.

18.03.2003. Der Ring ist deutlich ausgefranst und verwaschen,
in Richtung von links oben nach rechts unten.

Saturn im C11

am 07.01.2004 ist der Ring wesentlich schärfer

Zugegeben, wenn es nur um die Korrektur von sphärischer Aberration geht, könnte ein neues kommerzielles Produkt solchen Basteleien den Rang ablaufen:
Das Safix von Aries.
Dabei handelt es sich um eine Korrektionsoptik, die ähnlich einer Barlowlinse zwischen Teleskop und Okular gesetzt wird. Über einen Drehring kann kontinuierlich eine Über - oder Unterkorrektur eingestellt werden. So sollte eine reine sphärische Aberration innerhalb gewisser Grenzen auf Null gebracht werden können. Leider ist das Teil in Deutschland noch nicht verfügbar und es existieren noch wenig bis keine Testberichte (außer von einschlägig bekannten Händlern ;-), so dass ein abschließendes Urteil noch nicht möglich ist. Immerhin ist ein recht ausführlicher englischer Diskussionsthread mit dem Konstrukteur nachzulesen bei spacebanter.com.


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