Wenn der Drache die Sonne verschlingt

Eclipse 2009 - Wenn der Drache
          die Sonne verschlingt

Die totale Sonnenfinsternis am 22.07.2009 in Wuhan, China

von Dr. Wolfgang Strickling

English Version

Am 22.07.2009 habe ich die längste totale Sonnenfinsternis dieses Jahrhunderts in Wuhan in China an einem landschaftlich sehr reizvollen Beobachtungsort des ausgedehnten Seengebiet des East Lake Parks beobachten können. Das Wetter war zwar alles andere als optimal für Finsternisjäger, aber in Anbetracht der horrenden Wettervorhersagen waren wir doch angenehm überrascht. Eine relativ lockere Alto- und Cirrocumulusbewölkung gewährte fast kontinuierlich den Blick auf die Sonne und die Korona, der nur relativ kurzzeitig völlig unterbrochen wurde. Vor allem der zweite und dritte Kontakt war eindrucksvoll zu beobachten und der Horizont leuchtete um die Totalität in intensiven Dämmerungsfarben. Mit einer Totalitätsdauer von 5 Minuten und 21 Sekunden haben wir nur wenige Sekunden gegenüber einem Ort an der Zentrallinie verloren, wenngleich wir die längste Dauer dieser Finsternis von über 6 Minuten, die weit im Pazifik erreichbar gewesen wären, um mehr als eine Minute verfehlt hatten. Aber man kann ja nicht alles haben und eine Sarosperiode später wird diese Finsternis bei sicher besseren Wetteraussichten in Ägypten deutlich länger als dieses Mal in China zu sehen sein:-) 

Die GPS-Koordinaten unseres Beobachtungsplatzes waren:
30°34.220' N, 114° 22.227' E (30.5703285 N, 114.3704484 E, Mittelwert aus 21 Messungen über 2 Stunden und 41 Minuten).
Hier ist ein Bild des Platzes in Google-Earth.


Die Kontaktzeiten und lokalen Umstände, berechnet mit Eclipse Orchestrator und Javascript Calculator V. 3.3, für unseren Beobachtungsort waren:


Eclipse
Orchestrator
Javascript
Calculator
Positionswinkel




UTC
CST (=UTC +8h)
CST
Nord Zenit
Azimut
Elevation
Fliegende
Schatten
Azimut
Zentrallinie
1. Kont. 
00:14:58.7
08:14:59
08:14:57.1
285° 351°
84°
32°
   
2. Kont.
01:24:07.4
09:24:07
09:24:06.4
118° 185°
93°
47°
 
Mitte:
01:26:49.3
09:26:49
09:26:47.4
         
268° / 88°
3. Kont.
01:29:27.6
09:29:28
09:29:29.6
275° 342°
93°
48°
161°
 
4. Kont.
02:46:28.6
10:46:29
10:46:26.4
109° 170°
108°
65°
   

Der fast kreisrunde Kernschatten ist in Wuhan mit 243 km Durchmesser und mit einer Geschwindigkeit von über 3500 km/h ziemlich genau in Ost-Westrichtung (Azimut 88°) über uns hinweggezogen.
Die Zeitangabe hier sind überwiegend in Weltzeit (UTC) angegeben. Die lokale chinesische Zeit (CST) war 8 Stunden weiter (CST = UTC + 8h)


Doe 450D an der kleinen
        Russentonne Mit Hilfe der Software Eclipse Orchestrator konnte ich die Phänomene am zweiten und dritten Kontakt gut und automatisch registrieren, ohne mich um die Kameras kümmern zu müssen. Diese langbrennweitigen Aufnahmen wurden mit einer Canon 450D an einer "Russentonne" MC 3M-5CA mit 500 mm Brennweite und f/8 durchgeführt.

Beim zweiten und dritten Kontakt war die Chromosphäre und das Diamantringphänomen sehr schön zu sehen. Links im Bild die rotleuchtende Chromosphäre und eine kleine Protuberanz links oben



Eine Einzelaufnahme der Korona. Da die Einzelbilder stets durch die wechselnde Bewölkung beeinträchtigt wurden, habe ich  versucht, Serien längerbelichteter Aufnahmen mit Registax zu mitteln und die Koronastrukturen mittels radialer Unschärfemasken zu betonen. Auf diese Weise verwischen sich die Wolken und es werden viele Koronastrukturen, die im Feldstecher schön sichtbar waren, auch im Foto erkennbar.

Unten zwei Aufnahmen in dieser Composittechnik, eine aus der ersten Hälfte der Totalität, die rechte aus Einzelbildern zum Schluss der Totalität, für die leider nicht so viele Bilder zur Verfügung standen. Hier erscheint um unteren rechten Rand bereits wieder eine kleine Protuberanz hinter dem Mondrand.


Composit der Korona  Composit der Korona
        genen Ende der Finsternis


Sequenz beim
        zweiten Kontakt
Eindrucksvoll war das Perlschnurphänomen beim dritten Kontakt zu sehen. Die Beobachtung des Diamantringes und der Perlschnurphänomens wurde durch die Wolken glücklicherweise nicht beeinträchtigt.
Oben eine Sequenz beim zweiten Kontakt. Die erste Aufnahme um 1:23:31 UTC wurde noch mit Filter aufgenommen.
Unten beim dritten Kontakt. Orientierung: Norden Oben. Das letzte Bild ist wieder mit Filter aufgenommen.
Bildsequenz beim
        dritten Kontakt

Atmosphärische Erscheinungen:

beeindruckende
          HorizontfarbenEs war leider nicht völlig klar, aber die leichte Cirro- und Altocumulus-Bewölkung hatte den Mondschatten und die Horizontfarben sehr eindrucksvoll sichtbar gemacht. Mit einer Kompaktkamera (Fuji F40fd), die von einem Servo aus dem Flugmodellbau und dem C-Control automatisch ausgelöst wurde, konnte ich eine schöne Sequenz der Bewegung des Mondschattens registrieren. Ein Klick in die Grafik links öffnet eine kleine GIF-Animation, die die Bewegung des Mondschattens zum Horizont zeigt.

Zeitraffer des Mondschattens  mit 30 facher Geschwindigkeit bei YouTube. In YouTube "HQ" anklicken für eine optimale Wiedergabequalität!
Dank an Mario Kappler für die Bereitstellung der Videokamera und an August Morf für das Stativ!



Fisheyeaufnahme während der TotalitätUm die Totalität habe ich eine Sequenz von 30 Fisheye-Aufnahmen mit dem Peleng 3,5 / 8 mm Vollformat-Fischaugenobjektiv auf Fujicolor Sensia 200 ASA Farbnegativfilm gemacht. Sie zeigen sehr eindrucksvoll den Mondschatten in der hohen Bewölkung.

Aus den eingescannten Bildern habe ich ein kleine Animation erstellt, die beim Klick hier oder auf das Bild links angezeigt wird. Die Animation ist zeitlich um den zweiten und dritten Kontakt gestreckt, um die Bewegung des Mondschattens etwas besser darzustellen.

Dieses Video bei Youtube. In YouTube "HQ" anklicken für eine optimale Wiedergabequalität!

Orientierung der Bilder: Norden oben, Osten links.


Fliegende Schatten habe ich wegen des Dunstes und der leichten Bewölkung nicht gesehen. Zur Beobachtung und zum Filmen dieses Phänomens hatte ich ein weißes Bettlaken auf dem Boden ausgebreitet und mit einer Videokamera (Sony PC 100) in Richtung Norden (5° Azimut) gefilmt. Leider waren auch trotz sorgfältiger Analyse auf dem Videoband keine fliegenden Schatten zu erkennen. Auch das Signal eines parallel auf einer Tonspur des Videos mitlaufenden Licht-zu-Frequenz-Konverters (TSL 230), der in Richtung Sonne zeigte, ergab keine Hinweise auf  Fliegende Schatten.

Als Ursache dafür ist wohl in erster Linie die Bewölkung zu sehen, die den Kontrast der ohnehin schwachen Fliegenden Schatten unter die Wahrnehmungsgrenze gedrückt hat.

Wettermessungen:

Die SoFi-WetterstationWährend der Finsternis habe ich Temperatur-, Helligkeits- und Windmessungen durchgeführt. Die Messwerte wurden mit einem C-Control-Pro Mikrocontroller erfasst und auf einem EEPROM gespeichert, so dass sie später mit einem PC ausgelesen und aufbereitet werden konnten. 

Es wurden die Temperatur der Luft in 1 m Höhe mit zwei Sensoren, die Lufttemperatur in 0,1 m Höhe und die Bodentemperatur gemessen und aufgezeichnet. Als Thermosensoren dienten DS1621 Chips.
Außerdem hat ein TSL-230 Sensor die Beleuchtungsstärke registriert und ein Schalenanemometer die Windgeschwindigkeit  gemessen.
Auf dem Stativ befindet sich außerdem das Himmelshelligkeits-Messgerät (vorne rechts), links die Fischaugenkamera und die Videokamera für die fliegenden Schatten.

Wettermessungen bei der
          SoFi
Die Lufttemperatur ist  von etwa 35° C vor der SoFi auf etwa 31.5° C gefallen, wobei das Minimum erste einige Minuten nach der Finsternis durchschritten worden ist. Ein Finsterniswind während der Totalität konnte nicht gemessen werden, analog zu meinen Registrierungen bei anderen Sonnenfinsternissen.

Zum Vergleich: Grafik des Wetters während unserer Flusskreuzfahrt (19.-21.07.09, Messgerät auf Kabinenbalkon)

Download der Wetter-Messwerttabelle (CSV-Datei).

Download des hochaufgelösten Messsignals des Licht-zu-Frequenz-Konverters (Zip-komprimierte CSV-Datei)

Helligkeit, Temperatur und Wind

Messungen während der Totalität

Die Beleuchtungsstärke am ging während der Totalität auf einen Minimalwert von ca. 4 Lux zurück, was etwa dem Ende der bürgerlichen Dämmerung bei einem Sonnenstand von 6 Grad unter dem Horizont entspricht. So dunkel wird es in Mitteleuropa etwa 35-40 Minuten nach Sonnenuntergang bei klarem Himmel. Helligkeit war deutlich höher, als in Metz 1999 oder in Simbabwe 2001, wo ich jeweils 2.8 Lux gemessen habe. Grund war wahrscheinlich die hohe, aber dünne Bewölkung, die das Licht aus der Umgebung wirksam in die Zentralzone gestreut hat, ohne zu viel Licht zu schlucken, wie es offenbar 1999 der Fall gewesen ist.

Auffällig war auch, dass die Grillen in den umliegenden Bäumen und Büschen vor Beginn der Totalität um 01:23:50 ein lautstarkes Zirpkonzert anfingen, das nach Ende der Totalität um 01:30:00 schnell verstummte. Auf der X-Achse links  ist in Rot die Lautstärkekurve einer Audioaufnahme dargestellt. Die deutlich erhöhte Grundlautstärke während der Totalität ist im wesentlichen der Beitrag dieser Grillen.


Himmelshelligkeit

Himmelshelligkeit um die Totalität

Die Himmelshelligkeit habe ich mit einem Nachbau des SQM, basierend auf der C-Control registriert. Die Werte sind in Magnituden pro Quadratbogensekunde angegeben. Der Sensor, ein TSL237-Chip mit einem Grün-IR-Sperrfilter (Spektralkurve ähnlich dem Hoya CM-500 im Original-SQM) in einem Tubus mit 30 Grad Öffnungswinkel, wurde von zwei Servos aus dem Modellbau auf den Zenit oder auf die vier Haupthimmelsrichtungen mit einer Elevation von 15° und 40° über dem Horizont positioniert. Da der Nord- und Westhorizont von Bäumen verdeckt war, habe ich diese Messwerte verworfen. Der Ost-40° Punkt liegt etwa in Richtung der Sonne, er ist deshalb i. d. R. am hellsten. Da der Himmel mit Cirruswolken durchsetzt war, sind die Messungen aber leider nur eingeschränkt aussagekräftig. Gemessen habe ich einen Wert von etwa 13.5 bis 14 mag/arcsec2, wenn man den Wert in Richtung Sonne und im Norden (Bäume!) nicht beachtet. Wenn man die Helligkeit bewölkter und klarer Himmelsregionen zur Finsternismitte vergleicht, kann man interpolieren, dass die lokale  Helligkeit ohne die Wolken um etwa 0.1 bis 0.2 mag schwächer gewesen sein könnte. Der resultierende Messwert von ca 14 mag / arcsec2 entspricht ebenfalls der Zenithelligkeit bei einem Sonnenstand von ca. 6 Grad unter dem Horizont.
Die Asymmetrie der Helligkeitsentwicklung durch den heran- und wegziehenden Mondschatten wird trotz (oder wegen?) der Wolken recht gut wiedergegeben.
Download der SQM-Messwerttabelle (CSV-Datei).

Das
        C-Control WettermessgerätDas C-Control-SQMDie Messgeräte:
links die Wetterstation mit Schalenanemometer, Helligkeitssensor unter der Lichtstreukuppel und ein abgeschattetes Thermometer. Nicht abgebildet das 10-cm Luft- und das Bodenthermometer.

Rechts das Himmelshelligkeits-Messgerät. In den Stecker integriert ist noch ein Thermosensor (DS 1621). Der Helligkeitssensor kann durch zwei Servos frei über den gesamten Himmel positioniert werden.

Zur detaillierten Beschreibung der C-Control-Geräte.


Bilder von  unserem Beobachtungsplatz:
TSE observers    the equipment and the scenery

Sarosportrait 136Diese Finsternis gehört zum Saroszyklus 136, der z. Z. totale Sonnenfinsternisse mit Rekordlängen produziert. Sie treten im Sommer auf, wenn die Sonne sich in Erdferne befindet und gleichzeitig der Mond in Erdnähe. Details hierzu in meiner speziellen Seite zum Saroszyklus 136.

Diese Graphik wurde mit meinem Programm "Sarosportrait" berechnet.



Der Vollständigkeit halber hier ein Bild der begleitenden Mondfinsternis vom 06.08.2009 zur Sonnenfinsternis:
Halbschatten-Mondfinsternis 2009-08-06Links eine Aufnahme des Vollmondes vor der Mondfinsternis (5.8., 23:29 MESZ, leider sind ein paar dunkle Wolken durchgezogen), rechts die Halbschattenfinsternis um 2:36 Uhr. Da der Mond nur zu 43% seines Durchmessers in den Halbschatten eintauchte, war diese Finsternis sehr unscheinbar. Im direkten Vergleich mit der Aufnahme vor der Finsternis erkennt man eine leichte Verdunkelung des linken unteren Mondpartie. Die der Sonnenfinsternis vorhergehende Halbschattenfinsternis war mit 15% noch unscheinbarer,  außerdem war sie von Europa aus nicht zu sehen.

Die nächste in Europa günstig zu beobachtende Mondfinsternis wird am Silvesterabend 2009 zwischen 19:52 und 20:52 MEZ stattfinden. Sie ist partiell und ist die Vorgängerfinsternis der sehr langen ringförmigen Sonnenfinsternis vom 15.01.2010.


© 2009 Dr. Wolfgang Strickling

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Linkliste mit Beobachtungsergebnissen zur SoFi 2009, weiterer  Bericht und Linkliste von Alexander Birkner 
Satellitenfilm des Mondschattens auf der Erdoberfläche (von MTSAT 1R)
Wieder atemberaubend: M. Druckmüllers Koronamotage bis 6 Sonnenradien
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Der sehr ausführliche Finsternisreport zum 22.07.09 von F. Espenak, NASA
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Seite zur SoFi 2009 von T. Baer / Astronomie.info
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letztes Update:  05.04.2022
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